11. August 1910

Hinrichtung des Raubmörders Senger. Der Maler und Reisende Senger, am 10 Mai in Louisenruh bei Peitz geboren, hatte im August 1908 eine Postkarte an den Versicherungsbeamten August Franke in Berlin geschrieben, auf der er ihm eine schöne Stellung mit Pensionsberechtigung in Aussicht stellte. Franke ging auf die Sache ein und Senger fuhr mit ihm nach Forst. Südlich von Pförten, beim  Forsthaus Stern, im Walde des Grafen Brühl, überfiel Senger den Franke, schoß ihm hinterrücks eine Kugel in den Kopf und beraubte ihn. Kurze Zeit darauf wurde Senger als der Täter in Berlin verhaftet und dem hiesigen Untersuchungsgefängnis zugeführt. Im Februar 1909 hatte sich Senger dann vor dem hiesigen Schwurgericht wegen Raubmordes zu verantworten und am 28. Februar wurde das Urteil gefällt, das dahin ging: „Der Angeklagte wird auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen zum Tode und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.“

Gegen dieses Urteil hat Senger durch seinen Verteidiger Revision  beim Reichsgericht einlegen lassen, die jedoch verworfen wurde. Darauf beantragte der Verurteilte das Wiederaufnahmeverfahren, das nach weiteren Ermittlungen ebenfalls abgelehnt wurde. Nun ist das Urteil rechtskräftig geworden, da auch der Kaiser von seinem Begnadigungsrechte keinen Gebrauch gemacht hat. Nachdem dem Delinquenten durch den Staatsanwalt von der bevorstehenden Vollstreckung des Urteils Mitteilung gemacht worden war, äußerte dieser dem Vernehmen nach noch den Wunsch, seine 11jährige Tochter sehen zu wollen; das Kind hatte jedoch dem Wunsche des Vaters nicht entsprochen. Herr Pfarrer Tamaschke weilte gestern längere Zeit bei dem Verurteilten, um ihm noch geistlichen Trost zu spenden. Zu einem Geständnis ließ sich Senger nicht bewegen. Das Urteil wurde heute morgen um 6 Uhr unter Aufsicht des Staatsanwalts Dr. Marcks durch den Scharfrichter Schwietz in Breslau vollstreckt. Weiter waren bei der Hinrichtung zugegen mehrere Justizbeamte, Aerzte und einige Zeugen aus der Bürgerschaft. Der Mörder zeigte selbst angesichts des Schaffots keine Reue und ließ sich ruhig führen. Punkt 6 Uhr ertönte das Armesünderglöckchen und 10 Minuten später war das Urteil vollstreckt. – In den Straßen standen mehrere kleine Gruppen, die noch nicht recht wußten, was vorgeht, langsam sickerte jedoch die Nachricht der Hinrichtung durch – sie war allerdings zum Teil schon gestern abend in der Stadt verbreitet – und die Dächer der an den Hof des Gerichtsgefängnisses angrenzenden Grundstücke hatten sich mit Neugierigen gefüllt. Gleich nach erfolgter Hinrichtung wurde folgendes Plakat an die Anschlagsäulen geheftet:

 

Bekanntmachung.

Der Maler (Reisende) Albert Senger, geboren am 10. Mai 1865 in Louisenruh bei Peitz, ist durch rechtskräftiges Urteil des Schwurgerichts zu Guben am 23. Februar 1909 wegen Mordes, begangen am 26. August 1908 beim Forsthaus Stern südlich Pförten an dem Versicherungsbeamten August Franke aus Berlin, zum Tode verurteilt worden. Das Todesurteil ist heute durch Enthauptung des Verurteilten im Hofe des Gerichtsgefängnisses zu Guben vollstreckt worden.

Guben, den 10. August 1910.

Der Erste Staatsanwalt.

In Vertretung: Dr. Marcks.