13. April 1910

Die Katzen lieben es, namentlich im Frühjahr zur Brütezeit, statt auf die Mäusejagd zu gehen, den Vögeln nachzustellen, und mancher Gartenbesitzer hat in seinem berechtigten  Ingrimm fremde Katzen, die sich in sein Besitztum geschlichen haben, um die auf den Nestern sitzenden Vögel zu überfallen, einfach niedergeknallt. Sie seien darauf aufmerksam gemacht, daß sie mit dem Töten fremder Katzen über ihr Recht hinausgehen. Durch den Notwehr-Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 228) hat der Gartenbesitzer allerdings das Recht, eine seinem Eigentum bedrohende Gefahr durch Selbsthülfe abzuwenden. Aber im § 230 wird dieses Recht wesentlich eingeschränkt. Die Selbsthülfe darf nicht weitergehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Handelt es sich nun um Vögel, die in dem Garten bauten und die vor den Katzen geschützt werden sollten, so fehlt obendrein hier der Eigentumsbegriff, denn die freilebenden Vögel gehören dem Gartenbesitzer nicht. Die scheinbar so einfache Rechtslage wird also verwickelt, und solch Katzenprozeß wird zu ungunsten des Katzentöters entschieden werden müssen. Auch das Anlocken von Katzen aus weiter Ferne mittelst Baldrianfallen usw. bedeutet eine Verletzung des Eigentumsbegriffs, die durch Notwehr nicht als erfordert angesehen werden kann. -  Man wird daher andere Mittel anwenden müssen, um die Vögel vor diesen gefährlichen Räubern zu schützen. Als ein solches Mittel wird den Katzenbesitzern empfohlen, der Katze eine Klingel um den Hals zu hängen. Da diese Katze aber bekanntlich sehr vorsichtig ihr Opfer beschleicht, wähle man eine Schelle, die bei der leisesten Berührung anschlägt. Als ein weiteres Mittel wird empfohlen, der Katze einen nicht zu kurzen Knüttel waagerecht um den Hals zu hängen. Das Stück Holz verhindert oder erschwert mindestens sehr die Ausübung ihrer Raubgelüste. Alle Katzenbesitzer seinen ferner dringlich ermahnt, namentlich zur Brütezeit der Vögel darauf zu achten, daß ihre Katzen nicht überall frei umher streifen, sondern im Hause bleiben. Katzen, die den ganzen Tag auf Vögel Jagd machen, richten großen Schaden an, und mancher Gartenbesitzer, der die in seinem Grundstücke nistenden Vögel für nützliche, die ihnen nachstellenden Katzen aber für schädliche Tiere hält, wird sich trotz aller Gesetzesparagraphen nicht bedenken, die vierfüßigen Räuber mit allen Mitteln für immer unschädlich zu machen