14. Dezember 1913

Vom Wetter. Die absonderlichste Erscheinung des diesjährigen Herbstes und Vorwinters ist nicht das völlige Ausbleiben von Frostwetter. Auch in anderen Jahren stellt sich winterliche Kälte sehr häufig erst um die Jahreswende ein. Fast beispiellos ist jedoch diesmal die Höhe der Temperaturen, die fast ununterbrochen so hoch über den normalen Werten liegen, daß man kaum den Eindruck der winterlichen Jahreszeit empfängt. Der Einfluß dieser abnormen Erscheinung macht sich denn auch immer mehr in der Vegetation bemerkbar, die um diese Jahreszeit sonst vollkommen ruht, diesmal aber bereits kräftig junge Triebe ansetzt. Nicht nur im milden Westen Deutschlands, auch im Norden des Landes sieht man überall stark entwickelte Knospen, ja sogar junge Blättchen, die sich, von der milden Feuchtigkeit hervorgelockt, aus ihrer schützenden Hülle herausgewagt haben, und die nun trotz allem früher oder später dem Erfrierungstode ausgesetzt sind. Auch die Wintersaaten sind ungewöhnlich weit entwickelt, und es ist nur zu wünschen, daß vor dem Eintritt strenger Kälte reichlich Schneefall die Felder deckt, da sonst die Hoffnung des Landmannes vorzeitig vernichtet werden muß. Irgendwelche sicheren Anzeichen für einen Umschwung der Wetterlage lassen sich auch jetzt noch nicht erkennen. Abgesehen von einer etwaigen vorübergehenden Abkühlung auf der Rückseite der abziehenden Depression dürfte die Witterung trübe, mild und regnerisch bleiben.