14. Februar 1919

Zur Lohnbewegung in den Strickereien  erhalten wir folgende Zuschrift mit der Bitte um Veröffentlichung, der wir unter Streichung einer uns strafbar machenden Stelle nachkommen: Die in den Gubener Strickereien beschäftigte Arbeiterschaft hat vor längerer Zeit Lohnforderungen erhoben, welche sich mehrere Monate hinzogen. Durch Verhandlungen vor dem Schlichtungsauschuß wurde diese Lohnbewegung auf dem Vergleichswege in einem die Arbeiterschaft wenig befriedigten Sinne geregelt. Da die Lohnerhöhung erst vom 27. Januar ab gewährt wird, sollte für die zurückliegende Zeit eine Entschädigung von 20 M für alle am 1.Januar dem Betriebe angehörenden Arbeiterinnen gezahlt werden. Den Heimarbeiterinnen sollten dieselben Sätze gezahlt werden, sofern sie in der Regel 6 Dutzend Strümpfe und darüber in der Woche fertigen. Diesen klaren Wortlaut der getroffenen Vereinbarung versuchen nun einige Unternehmer zu umgehen, indem sie einen Teil jener Heimarbeiterinnen, welche nachweisbar 6 Dutzend und darüber fertigten, nur den halben Satz gewährten. Persönliche Vorstellungen der Arbeiterinnen nutzten nichts. Die Organisation als solche mußte in mehreren Fällen vermittelnd eingreifen. Die Beauftragten der Unternehmer ergingen sich verschiedentlich in hämischen Bemerkungen, welche auf das Allerentschiedenste zurückgewiesen werden müssen. So äußerte einer dieser Herren der Geschäftsleitung des Deutschen Textilarbeiterverbandes gegenüber: „Sie solle sich beruhigen, lange ginge dieser Spaß ja doch nicht mehr, die Arbeiterinnen hätten bald Gelegenheit, im Koenigspark spazieren gehen zu können!“