19. Dezember 1912

Das Weihnachtswetter im Sprichwort         
Das Weihnachtsfest ist im Volksglauben mit einem so magischen Schimmer umgeben, daß es nur natürlich erscheint, wenn man ihm auch für die Gestaltung des Wetters eine wichtige Bedeutung zuschreibt. Da es überhaupt eine des zunehmenden Lichtes ist, so konstatiert man mit Genugtuung, daß nun wieder die Zeit der wachsenden Sonne beginnt. Das Fest der heiligen Lucia (18. Dezember) gilt im Volksmund für den kürzesten Tag: „Sankt Lucen, macht den Tag stutzen.“ Von St. Lucia bis Weihnachten nimmt der Tag nur „um einen Hahnenschritt“ zu. „An Weihnachten um einen Eselsprung, zu Neujahr um den Schritt eines Gerichtsdieners, und an den Königen wird man’s  gewahr“, sagen die Nordfranzosen. Ueberall behauptet man, daß Frost und Schnee vor Weihnachten nicht viel schaden können: „Bis Weihnachten kann Kälte wenig tun; aber nach Weihnachten verfolgt dich Kälte, Hunger und Schnee.“ Deshalb wünscht man sich weiße Weihnachten, weil dann schon das schlimmste der Winterzeit vorüber ist. Nichts Unerwünschteres kennt das Sprichwort als warme grüne Weihnachten: „Ist das Wetter um Weihnacht gelinde, dann dauert die Kälte bis ins Frühjahr hinein.“ „Winterts vor Weihnachten nicht, so winterts danach.“ Ostern bringt dann Kälte und Elend, wie das allbekannte Wort sagt: „Grüne Weihnachten, weiße Ostern.“ Unzählig sind die Varianten dieser Wetterregel: „Zu Weihnachten Sonne, zu Ostern Kohlen.“-   „ Zu Weihnachten beim Spiel, zu Ostern am Feuer.“-  „Weihnachten in der Sonne, Palmsonntag beim Feuerbrand.“- „Weihnachten im Klee, Ostern im Schnee.“- „ Wenn man zu Weihnachten die Mücken sieht, sieht man zu Ostern die Eisschollen, “ heißt’s in Frankreich. Die Serben warnen: „ An warmer Weihnacht und am Weihnachtsbrot des Freundes  (d.h. wenn man kein eigenes zu backen imstande ist darf man sich nicht freuen,“ und sie setzen hinzu: „Lieber Weihnacht mit der Pest, als mit dem Südwind.“  Auch feuchte Weihnachten sind sehr gefürchtet: „Ist’s  um Weihnachten feucht und naß, so gibt’s leere Speicher und Faß.“  Helles Weihnachtswetter gilt allenthalben als ein günstiges Vorzeichen für die Ernte des nächsten Jahres. „Ist die Christnacht hell und klar, folgt ein höchst gesegnetes Jahr.“ – „Weihnachten klar, gutes Weinjahr.“ – „ Lichte Metten, dunkle Heustädel“, heißt’s in Tirol, und ebenso anderwärts: „Helle Weihnacht, dunkle Scheuer, dunkle Weihnacht, helle Scheuer.“ Wenn die Christnacht sternenreich ist, legen die Hühner reichlich  und das junge Vieh gedeiht gut.  „Ist die Christnacht vor Mitternacht trübe, so gedeiht das vor der Christnacht geborene Vieh nicht; ist sie nach Mitternacht hell, gedeiht das nach dem Christtag geborene“ und umgekehrt. Dagegen soll Schnee in der Christnacht besonders gut für das Gedeihen des Hafers sein