1. Dezember 1908

Vom untergehenden Schiedlo. „Die preußische Verwaltung sieht nicht nur zu, wie eins der ihr unterstellten Dörfer, ohne von einer Großstadt aufgesaugt zu werden, verschwindet, sondern sie hat selbst den Beschluß gefasst, daß es geschieht. Der Scholle, auf der sich so seltenes zuträgt, wendet sich an sich schon die menschliche Teilnahme zu: wie viel mehr, wenn sie zugleich die Trägerin einer langen, interessanten Geschichte ist.“ So beginnt O. E. Schmidt, der Verfasser der bekannten und beliebten Streifzüge durch die Niederlausitz, seinen Abriß der Geschichte des untergehenden Dorfes Schiedlo an der Neißemündung (Leipzig 1908, Pr. 1 M. 20 Pf). In seiner frischen und feinsinnigen Darstellungsweise entwickelt er von dem ersten Auftauchen der Siedlung im Frühlicht der Niederlausitzer Geschichte an die Ereignisse, die sich seit 1229 hier abgespielt haben, zunächst unter polnischer Herrschaft, dann in der Periode der deutschen Kolonisation des 13. Jahrhunderts, danach unter dem meißnischen Markgrafen Heinrich, der am 20. Oktober 1253 der Kirche des Hl. Georg, die morgen, am 1. Dezember, unter den Hammer kommt, Wiesen, Zehnten und Zölle zueignete. Dann sollten „das mächtig aufstrebende Guben mit der den Oderübergang deckenden Burg Schdelowe, der wichtigen Zollstätte Fürstenberg und dem geistlichen Stift Neuzelle an der mittleren Oder den Wettinern eine aussichtsreiche, auf das polnische Ostufer übergreifende Stellung schaffen.“ – Es folgte eine 60jährige brandenburgische und die fast 300jährige böhmische Herrschaft, die 1620 von der kursächsischen abgelöst wurde. In den Beginn der letzteren , in das Jahr 1629, fällt die von einer alten gleichzeitigen Urkunde mit Abbildung wiedergegebene „Wasserschlacht“, die von der kleinen Gubener Kriegsflotte einem Crossener Biertransport in Angesicht des alten Kastells geliefert wurde. Zwei Menschenalter später richtet August der Starke ein besonderes Augenmerk auf den Punkt, an dem allein das Gebiet der Albertinischen Sachsen die Oder übersprang – ein Brückenkopf auf dem Wege nach Polen, das mit seinem Staat durch Personalunion zu verbinden des Kurfürsten Plan war. Bei allen brandenburgisch-sächsichen Verträgen und Friedensschlüssen des 18. Jahrhunderts wird dann des wichtigen Dorfes gedacht; 1709 war dort durch den auch anderweitig bekannten Major de Bruyn eine sechseckige Schanze angelegt worden, deren Reste noch jetzt deutlich erkennbar sind, namentlich von dem nunmehr dem Abbruch entgegensehenden Kirchturm aus. Mit der gesamten Landschaft ging der Ort 1815 an die Krone Preußen über, die den Bewohnern nach manchen der verderblichen Überschwemmungen ihrer Aecker hilfreich beigestanden hat. Bis auf einige wenige Bauten für Beamte werden bald sämtliche vom Fiskus angekauften Wohnstätten verschwunden sein. Schon jetzt erkennt man ihren einstigen Standort nur an leichten Bodenerhebungen, die bereits mit Bäumen bepflanzt werden. Ein schlichter Denkstein soll künftig die Stätte kennzeichnen, wo auf künstlicher Anhöhe, vom alten Wallgraben umzogen, einst die Burg und nach ihrem Verfall die 1769 neugebaute Kirche gestanden hat, deren Ausstattung in verschiedenen städtischen Museen die Erinnerung an das untergegangene Dorf lebendig erhalten werden, wie es in der Geschichtsliteratur die Schmidtsche Schrift tun soll, die auch durch vortreffliche Abbildungen die einstige Anlage veranschaulicht.