22. Oktober 1908

Durch einen schrecklichen Unglücksfall ist eine hochangesehene Familie unserer Stadt in tiefe Trauer versetzt worden, haben hunderte von Arbeitern einen menschenfreundlichen Arbeitgeber, unzählige Arme ihren Wohltäter verloren, ist unsere Stadt eines ihrer edelsten und besten Bürger beraubt worden. Herr Geh. Kommerzienrat Fr. Wilke ist heute morgen, als er bei dem alle Morgen von ihm unternommenen Spaziergange das Gleis an der Eisenbahnbrücke am Turnplatz überschreiten wollte, von dem 7 Uhr 17 Min. nach Breslau abfahrenden Zuge überfahren und getötet worden und hat so ein tragisches Ende gefunden, während jeder, der den im 80. Lebensjahr stehenden Herrn gekannt hat, ihm ein ruhiges, harmonisches Ausklingen seines reichgesegneten Lebens gewünscht hat. [Es folgt eine umfangreiche Aufstellung der Verdienste von Fr. Wilke]… Die Stelle, an der der Unfall sich ereignete, ist ein sehr gefährlicher Punkt. Statt einer Barriere ist ein einfaches hölzernes Drehkreuz angebracht, das natürlich niemanden am Überschreiten des Bahngeleises hindert. Besonders gefährlich ist es, wenn sich zwei Züge kreuzen… Herr Geh. Kommerzienrat Wilke, dessen Sehschärfe nicht mehr die beste war und der sich außerdem bei dem scharfen Ostwinde den Kragen hochgeklappt hatte, sodaß auch sein Gehör beeinträchtigt war, betrat ahnungslos das Gleis; der Lokomotivführer bemerkte ihn erst mitten im Gleise, als die Maschine nur noch eine ganz kurze Strecke von ihm entfernt war; er ließ schrille Pfiffe ertönen, doch zu spät, schon hatte die Lokomotive den alten Herrn erfasst und weit fortgeschleudert.. Durch die Räder wurde ihm der Hinterkopf zermalmt. Er muß sofort tot gewesen sein. Die Kunde von dem schrecklichen Unfall verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt, und Zahllose strömten hinaus nach der Unfallstelle. Die Polizei ließ den Leichnam bald fortschaffen.