22. Oktober 1915

Säuglings - und Kleinkinderschutz

Unsere Kaisertochter, die Herzogin Victoria Luise zu Braunschweig – Lüneburg, hat die Anregung zu einem für die Entwicklung des deutschen Säuglings - und Kleinkinderschutzes hoch bedeutsamen Unternehmens, das am Geburtstage J.M. der Kaiserin und Königin, der unermüdlichen Schutzherrin für Deutschlands Kinderwelt, ins Leben gerufen wird, gegeben und sich gleichzeitig durch Uebernahme des Protektorates die Spitze desselben gestellt.

Lehrt auch die Geschichte der Fürsorgebestrebungen für den Säugling, daß wir im letzten Jahrzehnt ein rühriges Vorwärtsgehen auf diesem Gebiete zu verzeichnen haben, so darf andererseits nicht übersehen werden, daß sich die Bestrebungen des Säuglingsschutzes nicht gleichmäßig über das ganze Deutsche Reich verteilen, sondern das mancherorts nur Unzureichendes oder sogar nichts geschieht. Das gilt für den Kleinkinderschutz noch mehr als für den Säuglingsschutz. Und gerade der Kriegszustand hat gezeigt, daß nicht alle vorhandenen Organisationen so festgefügt sind, den durch den Notstand bedingten Belastungsproben standzuhalten. So soll dieser Krieg im deutschen Volke die Entschlossenheit zeitigen, unseren Säuglings - und Kleinkinderschutz auf eine so feste Grundlage zu stellen, daß keine Katastrophe mehr imstande ist, die Erhaltung und das Gedeihen unseres Nachwuchses ungünstig zu beeinflussen. Die bisher im Deutschen Reiche vorhandenen Bestrebungen und Einrichtungen zum Schutze des Säuglings und Kleinkindes müssen weiter ausgebaut, in den Bundesstaaten und preußischen Provinzen, in denen entsprechende Einrichtungen noch nicht bestehen, müssen solche geschaffen werden. In jede kleinste Gemeinde muss der Gedanke, dass die Erhaltung unserer Kinder oberstes Gebot ist, hineingetragen, muss die Aufklärung über zweckmäßige Aufziehung der Kinder gefördert werden. Der Gedanke des Säuglings - und Kleinkinderschutzes muß im ganzen deutschen Volke Boden fassen. Zur Ausführung dieser für das deutsche Volk eine nationale Notwendigkeit bedeutenden Bestrebungen bedarf es großer Mittel. Wenn auch die heutige Zeit an die Opferwilligkeit des einzelnen die weitgehendsten Anforderungen stellt, so ist kein Zweifel, daß das deutsche Volk in dieser schweren Zeit auch für seinen Nachwuchs zu sorgen gewillt ist. Denn niemand kann sich mehr der Tatsache verschließen, daß in unserer Jugend unsere Zukunft liegt, daß das wertvollste Kapital des Staates das einzelne Menschenleben ist.

Ueber die Einzelheiten der Organisation von Deutschlands  Spende für Säuglings – und Kleinkinderschutz werden in nächster Zeit weitere Mitteilungen gemacht werden. Möge jeder Deutsche bei diesem Werke mithelfen, bei der Erreichung des großen Zieles, daß unsere Jüngsten bewahrt vor allen Schädigungen zu gesunden Menschen heranwachsen.