29. Dezember 1908

Die Weihnachtsfeiertage haben einen Witterungsumschlag gebracht. Schon am Abend des ersten Feiertags spielte feiner Schneestaub im Winde und der Morgen des zweiten Feiertages zeigte die Erde in glänzendes Weiß gehüllt, während das Thermometer mehrere Grad unter Null gesunken war. Ist die Schneedecke auch nur dünn, so gab sie den Fluren doch ein echt weihnachtliches Aussehen. Die Kälte ist von Tag zu Tag intensiver geworden und heute früh zeigte das Thermometer -12 Grad C. an. Der Wind schien seine Kältekraft an Ohren, Nasen und Fingerspitzen lästig erproben zu wollen. Die Gewässer sind mit einer Eisschicht bedeckt; hält die Kälte noch einige Tage an, so wird auch der Eislauf auf der Neiße bald freigegeben werden, und der herrlichste Sport des Winters kann dann seine Betätigung finden.

Und hier noch ein Auszug aus einer Beilage der GZ, die den Leser weitere 100 Jahre zurückblicken lässt. Lesen sie selbst:

Beilage zur „Gubener Zeitung“ Nr. 242., Mittwoch, den 14. Oktober 1908.

Aus Guben und Umgegend:

Der Nachdruck unserer Originalberichte ist nur unter Angabe der Quelle gestattet.

In Guben vor 100 Jahren.

Vor 100 Jahren reiste man in Deutschland noch sehr viel und beschrieb hinterher in umfangreichen Büchern alles, was man gesehen, gehört hatte. Diese Reiselust und Reiseliteratur, wenn man diesen Ausdruck für jene Publikationen gebrauchen darf, hatte schon um 1600 vereinzelt begonnen und hatte vor 100 Jahren, also um 1800 etwa, ihren Höhepunkt erreicht. In dieser Literatur ist manches Wissenswerte niedergelegt; zumeist ist es auch bereits wissenschaftlich verwertet.

Dieser Tage fiel uns ein solches Buch in die Hände; es ist im Jahre 1795 erschienen, führt den Titel: „Kleine Wanderungen durch Sachsen und Brandenburg“, nennt aber weder den Verfasser, noch den Verlagsort. Der Verfasser hatte seine Gründe, nichts über seine Person verlautbaren zu lassen; das Buch enthält nämlich eine außerordentlich scharfe Kritik gewisser Zustände. Der Verfasser wanderte zu Fuß durch Sachsen, durchquerte den Spreewald, ging nach Berlin, Potsdam, dann nach Halle und kehrte schließlich in seinen nicht genannten Heimatort zurück. Auf seiner Wanderung berührte er auch Guben und gibt davon eine Schilderung, aus der wir das Interessanteste unseren Lesern nicht vorenthalten vollen.

Guben ist alt, sagt der Verfasser, und hat seit dem Hussitenkriege, wo es ganz eingeäschert worden, von allgemein verheerenden Feuerschicksalen nichts erfahren, daher sind auch wenig moderne Häuser da zu finden.

Die Art des Gewerbes der Einwohner besteht nicht sowohl in Fabrik- und Manufakturarbeiten, obgleich auch etwas Landtuch verfertigt wird, sondern vielmehr in Kultur des Weines, verschiedener Obstarten und anderer Gewächse. Die ganze Mittagsseite der Berge um Guben ist mit Reben bepflanzt, die meistens einen roten, dem Burgunder an Farbe und (wenn er alt ist) auch an Geschmack ähnlichen Wein geben, erbaut jährlich ungefähr 10 000 Eimer. Der meiste Absatz von ihrem ansehnlichen Obstbau geht ins brandenburgische, vornehmlich nach Berlin, und zwar zu Wasser. Hinter der Stadt nämlich drängt sich aus einem Seitentale am Fuß der Berge ein Flüsschen, Lubst, hervor, das sich gleich unter der Stadt in die Neiße ergießt und der Gubensche Hafen ist.  Die Neiße fällt einige Stunden von Guben in die Oder, und aus dieser gelangt man vermittelt des 5 Stunden langen Kanals bei Mühlrose in die Spree und also nach Berlin.

Bei diesen verschiedenen Nahrungszweigen, zu welchen noch ein starker Speditionshandel nach der Oberlausitz mit den von der Oder hier ausgeladenen fremden Waren kommt, ist es nicht zu  verwundern, wenn in der Stadt eine Wohlhabenheit herrscht, die einem gar bald auffällt.

Ehedem war hier auch eine Salzgießerei; sie hat aber gegen den Anfang des 18. Jahrhunderts, also um 1700, aufgehört und die ganze Gegend wurde alsdann mit Hallischem, durch die Oder in Tonnen herbeigeschafftem Salze versehen. Seit 1777 aber wird lauter kursächsisches Salz verbraucht, welches mit schweren Rosten auf der Achse aus Dürrenberg hierher gebracht wird. Die vornehmsten Gassen der Stadt sind des Abends erleuchtet und die öffentliche Reinlichkeit geht in den Häusern in eine Art von Luxus über. Für das gesellige Vergnügen ist vorzüglich in den Wintermonaten durch Abwechslung mit Konzerten, Assembleen, Spiel und Tanz gesorgt.

Oeffentliche Bibliotheken, die von einigem Belang wären, gibt es hier nicht, man findet solche ebenso wenig in der ganzen Niederlausitz. Doch ist hier eine Schule, die an guter Einrichtung, zu der sie vor mehreren Jahren  durch den ehemaligen Rektor  Böttiger gelangt ist, alle anderen niederlausitzischen Schulen übertrifft. Aus der ersten Klasse gehen jährlich immer eine ganze Anzahl Schüler auf Akademien. Der jetzige Vorsteher der Schule ist Herr Schaarschmidt, der mit dem braven Konrektor Richter  die Schule in Flor erhält. „