7. Februar 1909

Der Eisgang auf der Neiße begann heute vormittag. Oberhalb des Wehres am Winkel stauten sich die Eismassen und drängten die ankommenden Schollen und das Wasser nach der Egelneiße zu. Diesem gewaltigen Druck konnte das Wehr nicht widerstehen, es barst, und der Hauptstrom ergoß sich nun durch die Egelneiße, diese bis zum Rand füllend. Es ist ein Glück, daß die Egelneißebrücke standhaft gebaut ist, eine hölzerne Brücke hätte dem Druck des Wassers und der Eisschollen, die sich an der Brücke zeitweise stauten, wohl kaum Stand gehalten.

Die Koenigsche Privatbrücke über die Egelneiße ist weggerissen. Der Poetensteig war an einigen Stellen überschwemmt. Der Schaden wird sich erst übersehen lassen, wenn das Wasser sich verlaufen haben wird. Die Brücke bei Lehmann und Richter ist arg in Mitleidenschaft gezogen. 2 Pfeiler von 12 sind gebrochen, der dritte droht jeden Augenblick zu brechen. Die Brücke ist für Fuhrwerke gesperrt, Fußgänger dürfen sie noch überschreiten.

An der Böschung hinter der Brücke ist ein großes Loch gerissen, mehrere große Bäume sind umgebrochen und mit fortgerissen. – Teilweise wird das Eis, so gut es geht, durch den Hauptstrom abgeleitet. Der größte Teil des Eises scheint bereits weg zu sein. Der Wasserstand der Neiße hat noch durchaus keine beunruhigende Höhe erreicht, lediglich dem Umstand, daß der größere Teil des Wassers durch die schmale Egelneiße fließt, ist es zuzuschreiben, dass in der Klostervorstadt einige Besorgnis eingetreten ist. Hoffentlich erweist sich diese als unbegründet. – Aus Görlitz wird gemeldet, dass die Neiße gestern abend bei starkem Regen wieder zu steigen begann.