7. September 1902

Rudolf Virchow

Der Geheime Medizinalrath Prof. Dr. Rudolf Virchow ist in Berlin verstorben.

Am 18. Okt. vorigen Jahres feierte der unvergleichliche Gelehrte, der Nestor und Pfadfinder der medizinischen Wissenschaft, in voller körperlicher und geistiger Frische seinen 80. Geburtstag, zu dem ihm die gelehrte Welt ganz Europas ihre Glückwünsche darbrachte und auch der Kaiser mit seiner Anerkennung nicht zurückhielt.

Wenige Wochen später that Virchow den unglücklichen Fall von der Straßenbahn, von dem er sich nicht wieder zu erholen vermochte. Zwar gelang es einem seiner besten Schüler, dem berühmten Chirurgen Prof. Dr. Werner Körte, des Meisters schweren Beinbruch zu heilen; doch wenn auch hernach der Schenkel des bis dahin so zähen Greises wieder leidlich in der Hüfte sich dreht, die alten Kräfte kehrten nicht wieder, und mit dem Leibe siechte auch die Seele dahin. Virchow hatte einen leichten Tod und entschlummerte sanft. Was Virchow als Gelehrter und als Forscher geleistet hat, das zu sagen, müßte man eine Geschichte der Medizin des verflossenen halben Jahrhunderts schreiben. Virchow war aber nicht nur der erfolgreichste Forscher auf medizinischem Gebiete, er war gleichzeitig auch der bedeutendste Archäologe seines Jahrhunderts.