8. Juni 1910

Am 8. Juni steht der 150. Geburtstag eines Mannes bevor, der in den literarischen Kreisen wohlbekannt und der für Guben einst nicht ohne Bedeutung gewesen ist: Carl August Böttiger. Er wurde 1760 zu Reichenbach im Vogtlande geboren. Noch nicht volle 25 Jahre alt, übernahm er im März 1785 das Direktorat des hiesigen Lyzeums, dem er die damals zur Herrschaft gelangte neuhumanistische Richtung gab. Nicht mehr die formale Schulung in den alten Sprachen, sondern der Geist des klassischen Altertums, verbunden mit nationaler Bildung, sollte den Schülern erschlossen werden – eine Richtung, deren Hauptvertreter Herder war. Böttiger hat hier 6 Jahre amtiert und auch, wie damals üblich war, eine private Erziehungsanstalt errichtet, die von Nachbarorten und aus größerer Ferne gut besucht war und viel gerühmt wurde. Von hier aus ging er auf kurze Zeit nach Bautzen als Direktor und dann mit dem Titel Konsistorialrat an das Herzogl. Gymnasium zu Weimar, dessen Ephorus Herder selbst als Generalsuperintendent war. Es konnte nicht ausbleiben, daß der gelehrte und gewandte, zugleich sehr gefällige Mann auch dem Kreise der großen Dichter näher trat, aber nicht zu seinem Vorteil. Wegen seiner Vielgeschäftigkeit, seiner Neigung, überall die Hände im Spiel zu haben, und wegen gelegentlicher Indiskretion wurde er unbeliebt und wird in Briefen als „Herr Ueberall, Herr Ubique“, dann in den Xenien und von Goethe in der klassischen Walpurgisnacht verspottet. Man war daher ganz zufrieden, als er 1804 nach Dresden berufen wurde, zunächst als Studiendirektor der adligen Pagen des Kurfürsten; von 1814 an war er Oberinspektor, d. H. Generaldirektor der Königlichen Museen. In dieser Stellung knüpften sich von selbst zahlreiche Beziehungen zu bedeutenden Fremden an, welche die Residenz und ihre Kunstschätze besichtigten. Als ein in den weitesten Kreisen bekannter und einflussreicher Mann starb Böttiger am 17. November 1835