„Ueber Volksbücherei und Lichtspiel“ sprach gestern abend, auf Veranlassung der Stadtverwaltung der Direktor der Stettiner Stadtbücherei, Herr Dr. E. Ackerknecht, vor einem aus den städtischen Körperschaften, Schulleitern, Lehrern, Leitern gemeinnütziger Vereine und sonstigen Bildungsförderern zusammengesetzten Personenkreis im Lichtspielhaus an der Neißebrücke. Nachdem der Redner den Zusammenhang zwischen Volksbücherei und Lichtspiel aus dem großen Organismus der Bildungspflege heraus erklärt hatte, ging er, allerdings mit großer Weitschweifigkeit, durch die der Kern der Sache etwas verdeckt wurde, auf die Volksbildung und die vornehmlich zu ihrer Unterstützung dienende Volksbücherei ein. Er vertrat die Ansicht, daß der ganze Organismus der Aufgaben der Volksbildungspflege zusammengefaßt und in eine Hand, die der Gemeinde, gelegt werden sollte. Vornehmlich sollten die beiden großen Hauptströme der Volksbildung: Volksbücherei und volkstümliches Lichtspiel, von Stadtwegen in ein einheitliches Bett geleitet und so geführt werden, daß sich dabei eine „gute Tradition“ ergebe. Im engen Zusammenhang damit stehe das Vortragswesen; auch dieses könne den allgemeinen Bildungsbestrebungen nur dann einen Rückhalt gewähren, wenn es in den Gesamtorganismus der kommunalen Bildungspflege miteinbezogen werde. Was der Redner über den Bildungsstand der Stadt Guben sagte, war schmeichelhaft zu hören: Guben sei eine Stadt, die über dem geistigen Durchschnitt stehe; sie habe eine gut geschulte Arbeiterschaft, keine Industrie, die die düsteren Begleiterscheinungen industriellen Lebens mit sich bringe; sie habe für Bildungspflege einen möglichst dankbaren Boden, ihrer Volksbücherei und ihrem Museum beachtenswerte Ansätze dazu; nur eines fehle ihr: eine Persönlichkeit, in deren starker Hand die hauptamtliche Leitung der Bildungspflege liege. Man sollte nicht einwenden, es habe ja bisher alles so gut gegangen, weshalb jetzt ändern? In dem Augenblick, wo man ändert und die patriarchalischen Zustände aufhebt, werde man von selbst erkennen, wie wohl man daran getan habe, die Bildungspflege der Neuzeit entsprechend umzugestalten. Hinsichtlich der Persönlichkeit, deren Hand die Bildungspflege anvertraut werden solle, lenkte der Redner bei dem augenblicklichen Mangel an männlichen Kräften die Aufmerksamkeit auf weibliche Fachgelehrte, wobei er hinzufügte, es gebe wenig Frauenberufe, in denen sich die weiblichen Eigenschaften so ausleben könnten, wie gerade auf diesem Gebiete, innerhalb dessen sich die Frauenseele voll erschöpfen könne. Jedenfalls dürfte man in Guben mit einer gereiften, fachmännisch herangebildeten Bibliothekarin gute Erfahrungen machen.