9. Dezember 1915

Der Vaterländische Vortragsabend des Vereins Frauenwohl, der am Montag  abend im Schützenhaus stattfand, erfreute sich eines überaus regen Besuches. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und viele mu0ten vor der Tür umkehren, da es nicht möglich war, noch Einlaß in den Saal zu erlangen. Aber auch die, welche die sich in den Ecken noch ein Plätzchen erobert hatten oder stehen mußten, werden ihre Ausdauer nicht bereut haben, denn der Abend kann in allen Teilen als vollkommen gelungen und zufriedenstellend bezeichnet werden. Er bot allen, was auch der Verein Frauenwohl mit seiner Veranstaltung bezweckte, eine Erhebung des Gemüts, eine  Aneiferung zum weiteren Kampfe hinter der Front, eine wahrhafte Stärkung zum Ausharren und Opfern in unserer schweren Zeit. Es ist nicht möglich, jede einzelne Darbietung des Abends gebührend hervorzuheben, aber doch sicher im Sinne aller Zuhörer, hier noch einmal den Mitwirkenden herzlichen Dank auszusprechen. - Für den mit diesen Abend verbundenen Vortrag hatte der Verein Frauenwohl in Fräulein Guida Diehl aus Berlin eine hervorragende und warmherzige Rednerin gefunden. In ihrer Ansprache „Unser Kampf hinter der Front“ führte die Vortragende ungefähr folgendes aus: Großes erleben wir alle in dieser ernsten Zeit des Krieges, sei es draußen vor der Front oder daheim. Was soll uns aber dieses Erleben bringen? Es kann nicht spurlos an uns vorüber gehen. Deutschland soll innerlich groß werden in dieser großen Zeit. Gerade in dem Kampf hinter der Front, in den täglichen Einschränkungen und Sorgen, in dem Leid und Schmerz, in den Wunden, die der Krieg uns schlägt, muß und wird sich die Erneuerung des deutschen Volkes zeigen. Wir waren durch den wachsenden Wohlstand, durch die zunehmende Genußsucht nicht immer groß und stark geblieben, das deutsche Volk war in Gefahr, die innere Tiefe, von der unsere Dichter singen, zu verlieren. Jetzt wird es sich zeigen, ob die alte deutsche Kraft und Tiefe noch in unserem Volke lebt. Knaben sind zu Männern, Schwächlinge zu Helden geworden; auch die Frauen wollen und dürfen nicht zurückstehen. Sie können nicht mit hinausziehen, um mit dem Schwer t in der Hand ihr Vaterland zu schützen, aber sie werden ihre Größe zeigen in dem Kampf hinter der Front, in der Ueberwindung aller Schwierigkeiten des Alltags, die der Krieg uns auferlegt, im Ausharren, im Opfern und im Gebet. Reicher Beifall lohnte die Ausführungen der Rednerin. Nach einem Schlußwort der Vorsitzenden schloß der genußreiche Abend mit dem gemeinschaftlichen Gesang des Liedes „Deutschland , Deutschland über alles“.